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Sonntagsblatt

Sonntag, 6. Januar 2008

Um Himmels willen

Sie kennen sie sicher auch: diese Witze über den Himmel, in denen Menschen, bei Petrus oder Gott angelangt, enttäuscht sind und lieber einen Blick in die Hölle riskieren, um sicherzugehen, dass sie auch ja nichts versäumen. Die Pointe lautet meist: hier der kühle, fade Himmel, dort die aufregend-brodelnde Hölle, in der es üppige Gelage und Feste gibt und immer heiß her geht. Es mag harmlos wirken, aber Unterhaltung sagt viel über das aus, was man letztlich unter Haltung versteht.

Ist der Himmel für uns noch erstrebenswert? Können wir uns tatsächlich ein Leben für immer bei und mit Gott vorstellen? „Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende“, scherzte der Komiker Woody Allen. Was lustig anmutet, ist jedoch sehr ernst. Wie können wir mit jemandem ewig innig zusammensein, wenn wir zu ihm keine tiefe Beziehung aufgebaut haben?

Das Wort „Himmel“ steht oft verhüllend für Gott, den wir in Zeiten der Not ganz gerne anrufen: du lieber Himmel, das möge der Himmel verhüten, das weiß der Himmel, um Himmels willen! Ansonsten kann der Himmel warten, möchte man bisweilen meinen, es geht uns auch so ganz gut.

Wie die Hölle ihren Schrecken verloren hat, hat wohl auch der Himmel an Wert eingebüsst. Vielleicht kommt – während wir die schwarzen, hässlichen Teufelsvorstellungen früherer Zeit als längst überholt belächeln – das Böse heute aber mitunter anders daher: nämlich einschmeichelnd und gefällig.

Nimm’s leicht, lautet die verlockende Devise, genieß das Leben ohne Einschränkungen in vollen Zügen, es ist kurz genug. Es lohnt sich aber, sich um den Himmel zu mühen: Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört, was Gott denen bereitet, die ihn lieben. Und das nicht nur, wenn wir perfekt sind, sondern auch wenn wir wie Elija unterm Strauch, sozusagen gestrauchelt, völlig am Boden darniederliegen.

Erschienen im Sonntagsblatt, August 2006

Ihr Auftritt, bitte

Künftig könnten auch neue Formen von kirchlichen Segnungen regelmässig "über die Bühne gehen", schrieb dieser Tage eine Grazer Wochenzeitung. Ein gut gemeinter Hinweis, wenn auch in einer verräterischen Sprache: So als wäre die ganze Welt nur Bühne, unser Leben eine einzige Show.

"Wir alle spielen Theater", war der amerikanische Soziologe Erving Goffman überzeugt, "sei es bewusst oder unbewusst". Er verglich unsere Wohnungen und Büros mit teils aufwändig gestalteten Bühnenbildern, vor denen wir tagtäglich als Selbstdarsteller agieren, und deklarierte unsere Möbel, Autos und Kleider als Requisiten für unsere diversen Auftritte. "Je mehr Rollen eine Frau im Leben spielt, desto mehr Schuhe braucht sie", vermerkt dazu eine Modezeitung.

Eigentlich kein schöner Gedanke. Aber er drängte sich ähnlich schon dem amerikanischen Regisseur, Schauspieler und Autor Orson Welles auf (zur Zeit wieder im Gespräch aufgrund des 100. Geburtstages von Anton Karas, dem Zitherspieler im Film "Der dritte Mann", mit dem Welles 1949 auch in Europa berühmt wurde): "Italien besteht aus fünfzig Millionen Schauspielern. Die schlechtesten von ihnen stehen auf der Bühne", ätzte der Filmstar über seine eigenen Berufskollegen.

Nun: Vielleicht haben wir uns und andere tatsächlich mitunter auf Rollen festgelegt oder sind durch unsere Herkunft in ein Schema gepresst worden, das uns nicht gerecht wird, sondern ermüdet und behindert. Selbst von Jesus hieß es, er sei doch nur der Sohn des Zimmermanns, der von nebenan, den man hinlänglich zu kennen glaubte und dem man etwas Höheres nicht zutraute.

Es wäre schade, einfach an äußeren Fassaden und am gewohnten Drehbuch festzuhalten. Viel Gutes unterbleibt, wenn wir durch Vorurteile anderen Menschen den Mut nehmen, sich zu entfalten und sich mit ihren ganz besonderen Begabungen einzubringen.

Erschienen im Sonntagsblatt, Juli 2006

MOZARTS MAMA - Briefe einer besonderen Mutterliebe

Wenn am Muttertag im Grazer Dom ein Festkonzert mit Musik von Wolfgang Amadé Mozart erklingt, dann soll auch jener Frau, die – so wußten es schon ihre Zeitgenossen - einen „so grossen Virtuosen gebohren hat“ gedacht werden.

Denn die „Mozartin“, wie sie sich selbst gerne nannte, sorgte in ihrer Familie neben ihrem gestrengen Mann Leopold stets für eine Atmosphäre der Wärme und Herzlichkeit. Sie war eine überaus schöne Frau, musikalisch und gebildet, mit viel Sinn für Witz und Humor. Dennoch stand sie, die im Lauf von acht Jahren sieben Kinder zur Welt brachte, von denen aber nur zwei überlebten, immer im Schatten ihres Mannes, bestätigt der Musikhistoriker Harald Haslmayr. Sie selbst wird wohl nichts dabei gefunden haben. Die einzigen unmittelbaren Lebenszeugnisse, die uns von Mozarts Mutter bekannt sind, sind jene Briefe, die sie als Begleiterin ihres Sohnes von der Reise nach München, Mannheim und Paris heim nach Salzburg geschrieben hat. Aus ihnen spricht unendlich viel Liebe und Entbehrungsbereitschaft. Denn die Reisen, die irgendwo eine berufliche Anstellung Mozarts mit sich bringen sollten, waren für sie sehr anstrengend und ihrer Gesundheit nicht zuträglich.

„Meine Mama schläft schon halb“, schrieb der 21-jährige Mozart zu Beginn der Reise im September 1777 an seinen Vater. Der Abschied war nicht leicht gefallen: „Nachdem ihr abgereiset“, antwortete Leopold Mozart, der mit seiner Tochter in Salzburg geblieben war, „gieng ich sehr math über die Stiege, und warf mich auf einen Sessl nieder. Die Nannerl weinte ganz erstaunlich und ich mußte mir alle Mühe geben, sie zu trösten...und hiemit endigte sich dieser Tag mit dem Rosenkranz, den ich täglich für euch bethe.“ In vielen folgenden Briefen wird Mozarts Mutter ihren Lieben gute Wünsche heimschicken: „Ich bitte dich nihm deine gesundheit in obacht, und gehe so bald nicht aus, bis dir nicht recht gutt ist, und laß dir kein graues haar wachsen, es wird mit gottes hilf alles recht werden, wie es sein muss... Ich küsse euch also alle beyde vill Million 1000 mahl, lebts recht vergniegt und gesund beysammen, ich bette däglich für euch.“

Von München ging es in 9 Stunden (!) per Mietkutsche weiter nach Augsburg. Zuvor ließ die völlig übermüdete Mutter Mozart wissen: „ich bin mit dem einpacken beschäfftiget, welches mir ville miehe macht, dan ich bin ganz allein darzue, der Wolfgang kann mir nicht in mündisten helfen.“ Manchmal wurde es sogar ihr zuviel: „holle der plunder das Reisen“. Während ihr Sohn seine Aufwartungen machte, blieb sie viel allein, sehnte sich heim nach Salzburg und fror in manch miserablem Quartier so sehr, dass sie „für lauter Kälte den Bauch wehe“ hatte und beim Briefschreiben kaum die Feder halten konnte. Immerhin musste jedes kleine, wärmende Feuer beim Vermieter extra bezahlt werden, und sie versuchte, möglichst zu sparen.

Dennoch hagelte es Vorwürfe von seiten ihres Mannes, weil sie u.a. zuviel Geld brauchten.
„Ich habe mir, seyt ich von Salzburg weck bin, eine einzige hauben machen lassen, kein paar schueh, und ich habe in den würths haus niemahls keinen wein getruncken, ausgenomen der Wolfgang hat da gespeist, da hatten wür einen schoppen miteinander...“ erklärte sie ihrem Mann, und bat ihn, zum Schutz auf ihrer Reise eine heilige Messe auf Maria Plain lesen zu lassen.

Da Vater Leopold schließlich seine ganzen Hoffnungen für Wolfgang auf eine Anstellung in Paris setzte, musste die Mutter mit Wolfgang weiterreisen. Der Sohn hatte dort viel zu tun und zu komponieren. „Was meine lebens arth betrifft“, schrieb hingegen die Mutter, „ist solche gar nicht angenehm: ich size den ganzen tag allein in zimmer wie in arrest, welches darzue noch dunkel ist und in ein kleines höffel geth, das man den ganzen tag die Sohn nicht sehen kan...“ Auch die Kost ließ zu wünschen übrig: Sie reichte von einer „Supen, die ich nicht mag“, über „ein bröckel schlechtes fleisch“, etwas „von einen kalbsfus in einer schmutzigen brühe“ bis hin zu „eine stein harte leber“.

Bald wurden Anna Maria die Beschwerlichkeiten zuviel, sie wurde krank und sollte ihre Heimat nie wieder sehen, denn sie verstarb in Paris überraschend im Alter von 57 Jahren. Am 9. Juli 1778 schrieb Wolfgang Amadé Mozart aus Paris heim nach Salzburg: „Monsieur mon Trés cher Père! (Mein sehr geliebter Herr Papa!) Ich hoffe sie werden bereitet seyn, eine der traurigsten und schmerzhaftesten nachrichten mit standhaftigkeit anzuhören [...] den 3:ten ist meine Mutter abends um 10 Uhr 21 Minuten in gott seelig entschlafen [...] Aus Furcht vor dem Vater hatte Mozart tagelang den Tod der Mutter verschwiegen. Der traurige Vater beteuerte, dass das Leidwesen über den Tod seiner Gattin in der ganzen Stadt Salzburg unbeschreiblich gewesen sei: „deine liebe seel. Mutter war von Kindheit an bekannt und aller Orten geliebt, dann sie war mit allen freundlich und beleidigte keinen Menschen.“ Ja mehr noch, sie war für ihren Sohn, für den sie so viele Entbehrungen auf sich genommen hatte und der heute weltberühmt ist, laut Vater Mozart „deine gute Mutter, dessen Augapfel du warest, und die dich ganz außerordentlich geliebt hat, - die völlig stoltz auf dich war, und die gänzlich in dir gelebt hat.

Erschienen im Sonntagsblatt, Mai 2006

Handschlagsqualität

Jeder von uns gibt sie - und allein bei der Hausbesuchsaktion zum Sonntag wird sie viele Male geschüttelt werden: die Hand. Dieses seit jeher wichtigste "Werkzeug" des Menschen hat eine hochinteressante Bedeutungsgeschichte und gilt seit jeher als Symbol für Macht und Gewalt, Besitz und Schutz. Vieles uns aus Redewendungen Vertrautes war früher Teil der Rechtssprechung.

Wer etwa das Begnadigungsrecht innehatte, konnte über einen Verurteilten die Hand halten und ihn damit vor Strafe schützen. Unser Handschlag ist seit der Antike bekannt. Zusammengefügt durch einen Dritten galt dieser Akt vor dem Aufkommen des Schriftverkehrs als einzige Bezeugung eines Kaufs oder sonstigen Vertrags. Starb im Mittelalter der Partner, dem man die Hand gegeben hatte, wurde diese durch den Tod gelöste Ehe als "gebrochene Hand" bezeichnet. Im Zuge der Gottesurteile dieser Zeit legten Angeklagte ihre Hand ins Feuer: blieb sie unversehrt oder heilte sie rasch, galten sie als unschuldig. "(Rechte) Hand und (linken) Fuß" zu haben, war im Mittelalter wichtig, weil man damit kriegstauglich war: Die rechte Hand führte das Schwert, der linke Fuß wurde zuerst in den Steigbügel gesetzt. Im alten Rom griff man sich beim Händedruck gegenseitig ans Handgelenk, weil sich unter dem Ärmel gewöhnlich der Dolch befand. Offene Handflächen wecken auch heute Vertrauen: Sie zeigten ursprünglich an, dass man unbewaffnet ist.

Körpersprache-Experten sind überzeugt, dass unser Handschlag viel über uns aussagt: Ob wir etwa gerne die Ober-Hand behalten oder mit steif ausgestrecktem Arm unsere persönliche Zone schützen. Im Zugehen auf andere bleibt ein herzliches, liebevolles Händereichen von unschätzbarem Wert.

Erschienen im Sonntagsblatt, März 2006

Liebe fern gesehen: Julias und andere Wege zum Glück

LIEBE FERN GESEHEN - Julias und andere Wege zum Glück

Sie gelten als beliebte Bügelhilfen: Die nachmittäglichen Telenovelas mit ihren Heldinnen Bianca, Tessa und Julia. Nur: Die Geschichte sei immer dieselbe, lautet die Kritik. Armes, blondes, engelsgleiches Mädchen verliebt sich in wohlhabenden Traumprinzen und findet - nach allerlei Hürden - das grosse Glück.

"Wir haben 40 Jahre Emanzipation und versuchten, Frauen ein Selbstbewusstsein zu ermöglichen, das ihnen eine andere Perspektive eröffnet. Und auf einmal fallen die wieder zurück in diese Märchenzeit, diese Aschenputtelgeschichten und Prinzessinenspiele", zeigte sich eine Fernsehredakteurin enttäuscht. Kulturwissenschaftler orten neben der klischeehaften Rollenverteilung "starker Mann, passive Frau" in diesen "neuen Filmen mit alten Werten" sogar einen "Rückfall" in das bürgerliche Geschlechterideal des 18. und 19. Jahrhunderts: "Keuschheit bis zur Hochzeit - früher mag es das gegeben haben, heute findet man es nur noch in Telenovelas".

Da die Erzählung immer abrupt abreißt („Cliffhanger“) und somit den Zuschauer täglich wieder vor den Bildschirm zwingt, baut dieser im Lauf der Serie parasoziale Beziehungen zu den Schauspielern auf: Fremde werden zu Freunden und Vertrauten, mit denen man mitleben, „schön weinen“ kann, ohne dass es einem zu sehr an die eigene Substanz geht. Spezialeffekte wie ein golden glänzendes Licht ("Glow") verstärken den Zauber dieser Sendereihen, für die viele Erklärungen bemüht werden: Sehnsucht nach der heilen Welt und Flucht vor der Realität sowie der sozialen Kälte "da draußen". Jein, meint man dazu beim Deutschen Evangelischen Pressedienst: Für Frauen habe aufgrund vielfacher Benachteiligungen "eine sozial erfolgreiche Heirat de facto nach wie vor große Bedeutung." Die Seifenoper kann aber wohl auch einfach ein erholsames Schaumbad sein, das man sich – zufrieden mit dem eigenen Leben – zwischendurch einmal gönnt.


TELENOVELAS IN LATEINAMERIKA - Spielräume für Träume

Die Telenovelas haben ihren Ursprung im vorrevolutionärem Kuba, wo den Arbeiterinnen in den Zigarren-Manufakturen während ihrer Tätigkeit Romane in Fortsetzungen vorgelesen wurden. 1930 ging in Kuba erstmals eine Radionovela auf Sendung. In Europa erfreuten sich im 19. Jahrhundert Fortsetzungsromane in Zeitschriften (etwa Alexandre Dumas' "Die drei Musketiere" und Charles Dickens "Oliver Twist") großer Beliebtheit. In den 1950er Jahren entdeckte man in Lateinamerika schließlich diese Erzählform für das Fernsehen. Die erfolgreichsten Telenovelas stammen aus Mexico und Brasilien und laufen dort zur besten Sendezeit. Die Seifenopern, von denen es in den USA etwa 30 täglich gibt, sind aus dem amerikanischen Alltag nicht mehr wegzudenken; sie traten längst ihren Siegeszug rund um den Globus an.
Dass nun in Lateinamerika der Geschichte vom armen, aber gutaussehenden Mädchen, das sich in einen reichen Mann verliebt, eine besondere Bedeutung zukommt, läßt sich gut nachvollziehen. Wenn den Familien auch vieles nicht verfügbar ist, die tägliche Sendung ist es und sie bringt Spannung und Bewegung in einen lähmenden Alltag. Für viele gelangt damit auch ein Hauch von Luxus in ihre bittere Armut.


ROSAMUNDES ALLTAGSGRAU

Es ist wohl in vielen Familien ein sonntägliches Ritual: Die Diskussion, ob das Wohnzimmer abends zum "Tatort" oder zum "Himmel über Cornwall" wird: Mord oder Liebe, Krimi oder Rosamunde Pilcher lautet die Frage. Die 82jährige Dame zählt zu den erfolgreichsten Autorinnen der Gegenwart und wurde u.a. für ihre eindrucksvolle Darstellung ihrer Heimat Südengland mit dem Britischen Tourismuspreis ausgezeichnet.
"Nennen Sie es ruhig Kitsch. Das berührt mich nicht", gibt sich die Millionärin Kritikern gegenüber entspannt: "Ich glaube dennoch, dass ich einen guten Stil habe". Ihr Erfolgsgeheimnis ist wohl dieser fein abgestimmte Mix aus meeresbrisefrischem Urlaubsgefühl, Verwirrungen der Herzen und romantischer Liebe, vornehm serviert im gehobenen englischen Milieu. „Leichte Lektüre für intelligente Damen“, nennt sie es selbst. "Alles wird gut", weiß das Publikum, während Intrigen die Idylle trüben und auf atemberaubenden Klippen die großen Lebensentscheidungen getroffen werden müssen. Sie selbst aber kenne "diese Liebesblitze nicht, wenn das Herz flattert und der Verstand aussetzt.", gesteht Rosamunde Pilcher erstaunlich nüchtern. "Ehe ist nicht ewige Liebe und Glück. Ehe ist ein Job – kein Vergnügen. Ehe ist Arbeit: Viel reden, planen, Kompromisse machen." Die Hausfrau und vierfache Mutter, die erst mit 63 Jahren den Durchbruch schaffte, macht auch keinen Hehl daraus, dass das Schreiben schon zu Beginn ihrer Ehe eine Flucht in eine Traumwelt war, die ihre Beziehung letztlich aber rettete. "Frauen müssen aggressiv sein, wenn sie gleichberechtigt und erfolgreich sein wollen", gibt sie sich kämpferisch. Ihr eigener Mann, der Textilunternehmer Graham, sei "immer abgehauen", wenn es eng wurde, zum Golfen oder Moorhuhnschießen: "So sind sie, die Männer". Vor diesem Hintergrund versteht man sie neu, ihre Geschichten, die "Der Preis der Liebe" und "Rückkehr ins Paradies" heissen...

Erschienen im Sonntagsblatt, Februar 2006

Der erste Besucher

Während für uns der Heilige Abend und der Christtag die zentralen Tage im Weihnachtsfestkreis sind, gibt es Länder, in denen anderen Tagen grössere Bedeutung zukommt. In Schottland z.B. wurde Weihnachten Jahrhunderte hindurch, bis in die 1950er Jahre, überhaupt nicht gefeiert. Stattdessen gab es das Fest "Hogmanay" (Neujahrsfeier) am 31. Dezember, das in Edinburgh und anderswo auch heute noch mit ausgelassenen Straßenevents, Konzerten, imposanten Fackelzügen und Feuerwerken begangen wird.

Besonderes Augenmerk schenken die Schotten anderntags dem "First footer", dem ersten Besucher, der im neuen Jahr das Haus betritt: Er kommt mit Geschenken wie Kohle, Brot, einer Münze oder Whisky und wünscht alles Gute. Von wesentlicher Bedeutung ist dabei sein Aussehen: Ist dieser erste Gast klein und dunkelhaarig, bringt er angeblich Glück, ist er groß und blond, verheißt dies Unglück - weil einst die großen, blonden Wikinger immer Krieg ins Land brachten.

Auch Maria bekam Besuch – und sie ließ den Engel nicht in der Tür stehen, sondern bei ihr eintreten. "Es hat sich halt eröffnet das himmlische Tor" und "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit", singen wir zur Weihnachtszeit. Bei dieser Gelegenheit könnten wir einmal nachsehen, wer bei uns einen Fuß in der Tür hat. Vielleicht ist darunter auch so mancher falsche Geist, der Unfrieden und Streit mit sich bringt. Wenn wir jedoch wie Maria Gott ganz hereinlassen, ihm allen Raum geben, muß das Un-Gute weiterziehen.

Erschienen im Sonntagsblatt, Dezember 2005

Land des Lächelns

Wer kennt nicht Franz Lehárs schönste Melodie: „Duft lag in Deinem Haar, wie Blumenhauch und Blütenstrauch“. Zugegeben, mit diesem schwachen Text ist sie bei ihrer Uraufführung 1923 durchgefallen. Erst eine völlige Neubearbeitung der Operette machte aus ihr das unvergleichliche „Dein ist mein ganzes Herz, wo Du nicht bist, kann ich nicht sein“ und aus dem ursprünglichen Mißerfolg „Die gelbe Jacke“ das weltberühmte „Land des Lächelns“.

Man könnte darin Parallelen zur heutigen Gesellschaft erkennen: Da duftet es zunehmend synthetisch, nach Frische und Reinheit und da und dort auch schon nach Weihnachten. Der Griff zu Flakon, Duftkerze oder Blütenpotpourri genügt, und fast hat es den Anschein, als würde auch Religion mitunter wie ein Parfum, dessen Ingredienzien selbst zusammengestellt werden können, Verwendung finden.

Ein seltsames Bild, wenn sich der Mensch, der selbst wieder zu Staub werden wird, bestäubt: mit teils teuren Eau de Toilettes, die „eternity“ (Ewigkeit), „euphoria“ (Euphorie) , „angel“ (Engel), „truth“ (Wahrheit) und „mystery“ (Mysterium) (ver)heissen.

Nichts gegen Wohlgerüche. Traurig wird es jedoch, wenn Düfte Defizite übertünchen müssen, nur mehr Zimt und Nelken ein Gefühl der Geborgenheit aufkommen lassen. Und noch viel bedenklicher, wenn Menschen sich gar nicht (mehr) nach dem ewigen „Land des Lächelns“ dessen sehnen, dem unser ganzes Herz gehören sollte, sondern sich vorstellen können, mit ihrem Tod einmal einfach so irgendwo im Nichts zu verduften.

Erschienen im Sonntagsblatt, November 2005

Meister Proper und der liebe Gott

Seit kürzlich bekannt wurde, dass die Frau des britischen Premierministers Haare und abgeschnittene Fußnägel ihres Mannes Tony einem Guru zum Auspendeln übergeben hatte, muss Cherie Blair viel Spott über sich ergehen lassen. Und während man noch darüber nachdenkt, ob Esoterik langsam aus der Mode kommt, fällt einem auf, dass man zur Zeit innerkirchlich immer öfter mit einem „Ich wünsch Dir viel gute Energie!“ bedacht wird.

Ein gutgemeinter Satz, der allerdings unseren personalen Gott, der für uns ein echtes Gegenüber und DU ist, in einem unpersönlichen, diffusen Kräftefeld auflöst. Eigentlich grotesk: Der Lebendige wird totgeschwiegen und tote Dinge werden verlebendigt: Da zwinkert uns das Putzmittel als „Meister Proper“ zu, lacht uns das Fischstäbchen in der Gestalt des „Käpt’n Iglo“ an und beteuert uns „Ano Nym“, dass es verdammt hart ist, der Beste zu sein. Die virtuellen Figuren erzeugen Vertrauen: Seit etwa ein Mehl nicht mehr irgendeines ist, sondern „Finis Feinstes“, und ein „Gesicht“ bekommen hat, sind die Verkaufszahlen in die Höhe geschnellt.

Um inmitten der zahllosen irrealen Bilder in unseren Köpfen auch das reale Bild Gottes lebendig zu erhalten, gilt es, von ihm zu reden. Der genauen Wortwahl, dem sogenannten „wording“, wird heute in vielen Bereichen große Bedeutung beigemessen. Auf ein zeitgemäßes Christentum übertragen hieße das: Nicht nur an ihren Früchten - auch an ihren Worten, Wünschen und Gesprächen werdet ihr sie erkennen.

Erschienen im Sonntagsblatt, September 2005

Der PIANOMANN

Es war schon still um ihn geworden, diesen Mann, der am 7. April verstört und völlig durchnässt an der englischen Küste aufgegriffen wurde und über dessen Identität weltweit gerätselt wurde. Zulange blieb die Lieblingsfrage der Menschen, „Was gibt es Neues“, unbeantwortet.

Seit am 7. April in Großbritannien ein mysteriöser, verstörter, durchnässter Mann aufgegriffen wurde, der kein Wort sprach, allerdings schon bald nach seiner Einlieferung ins Spital in der dortigen Kapelle stundenlang Klavier spielte, rätselte man weltweit, wer dieser Mensch sei. Selbst Hollywood zeigte bereits Interesse an dem filmreifen Stoff, der an „Shine“, den Film über den Pianisten David Helfgott, erinnerte.

Eine Schicht tiefer stellt sich die Frage, warum er generell auf solch ungeheures Echo stieß? Vielleicht, weil in einer Welt, in der Sich-Outen „in“ ist, jemand, der (fast) nichts von sich preisgibt und (noch) ein Geheimnis besitzt, fasziniert. Der „Piano Man“ schwieg in einer an Storys übersättigten Öffentlichkeit wie ein lebendiges Pausenzeichen im Getöse der unzähligen, oft aufdringlichen Lebensmelodien, wie ein Piano inmitten des allgemeinen Forte.

Hätte er nicht durch seine mysteriöse Erscheinung und den medialen Hype auf sich aufmerksam gemacht, wer weiß, ob er uns nicht ebensowenig gekümmert hätte, wie das Schicksal anderer „Pianomenschen“, etwa jenes von Bootsflüchtlingen, die traumatisiert, durchnässt und verstört an einem anderen Ende Europas aufgegriffen werden...

Erschienen im Sonntagsblatt, August 2005

Deal or No Deal

Er habe noch nie einen Urlaub gemacht, erklärte ein Bauer kürzlich im ORF und er bedaure es nicht, denn er sei "wunschlos glücklich". Eine Formulierung, die heute Seltenheitswert hat. Vielmehr scheint die Jagd nach dem schnellen Geld überhand zu nehmen. "Glaub ans Glück" lautet die Devise, die Menschen allwöchentlich zur Lottoannahmestelle treibt. Das Spiel selbst geht auf das 15. Jahrhundert zurück: Damals entwickelte ein findiger Italiener aus dem Brauch, in Genua per Losentscheid aus neunzig Kandidaten fünf Ratsherren zu ziehen, das Zahlenlotto „5 aus 90“. Erst nachdem Papst Clemens XII. 1731 das kirchliche Verbot des Glücksspiels aufgehoben hatte, war das Lotto auch in Deutschland gestattet, 1751 führte schließlich Maria Theresia das „Lotto di Genova“ bei uns ein. Das Lottofieber grassiert bis heute. Zudem tauchen verstärkt Gameshows auf, die dem Wunsch nach plötzlichem Reichtum Rechnung tragen: Was bei der „Millionenshow“ noch mit der Abfrage von Wissen verbrämt ist, tritt beim „Money Maker“ blank zutage: Menschen, in grelle Anzüge und eine Art Plexiglasbox gesteckt, raffen im Windkanal vor laufender Kamera möglichst viele Geldscheine zusammen. Rein ums Geld geht es auch bei "Deal or No Deal": Hier schürte unlängst der Moderator durch die wiederholte Frage, was die Kandidatin denn mit dem vielen in Aussicht gestellten Geld machen würde, eine derartige Unzufriedenheit, dass sie sich am Ende der Sendung über einen stattlichen Gewinn von „nur“ tausenden Euro ärgerte. Ob nun ein Geldgewinn tatsächlich ein Gewinn fürs weitere Leben oder mehr eine Bürde ist? Schwer zu sagen: Alles ist möglich.

Erschienen im Sonntagsblatt, Juli 2005

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