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Mittwoch, 26. November 2008

GLOCKENGUSS UND MYSTISCHES BIM-BAM

AUS EINEM GUSS
Im „Lebensjahr 2008“ erhielt die Stadtpfarrkirche Graz als Ersatz für eine schadhafte Glocke die neue „Lebensglocke“.

Innsbruck, Freitag, 15 Uhr, Todesstunde Jesu - von nah ertönen die Glocken der Stiftskirche Wilten … Kaum hat Bischofsvikar Stadtpfarrpropst Dr. Heinrich Schnuderl das Segensgebet zu Ende gesprochen, rufen die Glockengießer ein herzhaftes „In Gottes Namen!“ aus und beginnen ebenso kraftvoll wie behutsam die glühende, 1150 Grad Celsius heiße Bronze in jenen tonnenartigen Behälter zu gießen, der die Form für die neue, 745 kg schwere „Lebensglocke“ der Grazer Stadtpfarrkirche umschließt; ein erhabener, fast mystischer Moment der konzentrierten Stille, begleitet nur vom Zischen des feurigen Metalls und vom Rauschen des riesigen Schmelzofens im Hintergrund. Und ein nahezu archaischer anmutender Anblick: Denn selbst wenn die Tiroler Arbeiter als Hitzeschutz Schurze aus Teflon tragen (dasselbe Material, das sich in unseren Bratpfannen befindet), und der gewünschte Glockenton schon im voraus von Computern auf das Sechzehntel des Halbtons(!) genau berechnet wurde: das Verfahren ist immer noch dasselbe wie anno 1599, als die Familie Grassmayr mit dem Glockengießen begann:

Schon damals wurde aus Ziegel und Lehm der innerste „Glockenkern“ gebaut, dann mittels einer Schablone die zukünftige Glocke vorgeformt und mittels Wachs Filigranes wie Heiligenbilder und Inschriften aufgetragen (in unserem Fall Motive des Künstlers Josef Fürpaß.) Die dritte Schicht, der „Mantel“, entstand wiederum aus Lehm. Nach dem Trocknen wurde die „falsche Glocke“ in der Mitte entfernt und damit der Hohlraum für den Guss geschaffen. Anschließend grub man die Glockenform fest in die „Gussgrube“ ein, damit der Druck des heißen Metalls die Glockenform beim Gießen nicht zerstören konnte. Vier Tage später wurde die Glocke herausgeholt, von der Lehmform befreit, mit Hammer und Meißel entlang der Gussnähte vorsichtig ziseliert, gereinigt und mit Wasser und Sand geschliffen. Und zu allerletzt überprüfte man – es war der spannendste Moment - mit Stimmgabeln den Ton. Heute ist es ebenso.

Das Ritual des Glockengießens, ein Schauspiel, das nicht nur gefährlich aussieht, wiederholt sich an diesem Nachmittag noch mehrmals, immerhin gilt es elf Glocken für fünf Länder zu gießen − Schwerstarbeit für die Männer, auf die im Anschluss die traditionelle „Gussjause“ wartet. Alle übrigen, die Pate standen, werden mit einem „Guss-Schnapserl“ gestärkt, bevor sie die Heimreise antreten, voll Vorfreude auf den prachtvollen Klang. Und vom Seniorchef des Hauses noch mit dem Hinweis auf Friedrich Schillers berühmtes „Lied von der Glocke“ verabschiedet: „Nur ewig und ernsten Dingen / Sei ihr metallner Mund geweiht, / Und stündlich mit den schnellen Schwingen / Berühr' im Fluge sie die Zeit…“.

Am Nationalfeiertag, Sonntag dem 26. Oktober um 9.30 Uhr, wurde die neue Lebensglocke in der Grazer Stadtpfarrkirche geweiht, in der Nacht aufgezogen und am Montag erstmals erschallen: ein noch immer berührender, feierlicher Moment: „Dass sie in das Reich des Klanges / Steige, in die Himmelsluft! / Ziehet, ziehet, hebt! / Sie bewegt sich, schwebt! / Freude dieser Stadt bedeute, / Friede sei ihr erst Geläute.“


Mystisches „Bim-Bam“
Vielleicht haben Sie es auch schon erlebt, dass Sie ein- und dieselben Glockenklang bei einer Hochzeit oder zu Weihnachten als feierlich und fröhlich empfinden, bei einem Begräbnis hingegen mahnend und traurig. Den Glockenfabrikanten ist dieses dieses „mystische Phänomen“ bekannt und sie können es auch erklären: Glocken sind Musikinstrumente, die in ihrer komplexen Struktur bis zu 50 Töne erklingen lassen. Jener markante Ton, der beim Anschlagen der Glocke erklingt, heißt in der Fachsprache „Schlagton“ oder „Nominalton“. Dieser Schlagton lässt sich jedoch weder mit einem physikalischen noch einem elektronischen Gerät messen: Er ergibt sich erst aus der Vermischung aller „echten Töne“, d.h. er existiert eigentlich gar nicht und stellt eine akustische Täuschung dar. Wenn wir nun Glocken läuten hören, hören wir – bei guten Bronzeglocken - je nach Stimmungslage aus diesem gesamten Klangspektrum bei feierlich-fröhlichen Anlässen die hellen Dur-Akkorde heraus, bei traurigen Anlässen und getrübter Gemütslage die dunklen Moll-Akkorde. Diese subjektive Wahrnehmung beider Stimmungen drückt der Kindermund mit seinem hell-dunklen „Bim-Bam“ gut aus. Und auch das slowenische Sprichwort hat recht, das besagt: „Jeder denkt, dass jede Glocke seine eigenen Gedanken widertönt.“

Gertraud Schaller-Pressler

Erschienen im Sonntagsblatt, 19.10.2008

MUSIK, die Poesie der Seele

Als Königin Sofia von Spanien vergangenen Sonntag ihren 70. Geburtstag feierte und damit in den Mittelpunkt des Interesses rückte, benannte sie, die selbst Klavier spielt, als eine ihrer Kraftquellen „die klassische Musik“. Sie ist „für mich die Poesie der Seele“, sagte Sofia, „ich könnte nicht ohne sie leben.“

Musik und Gesang können in Zeiten schwerer Schicksalsschläge unsagbar viel Kraft geben. Denn sie vermögen durch Leid hindurch zu tragen, wie jene Chorsängerin und Mutter, die am Sarg ihres Sohnes mit dem Lied „Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen“ lichte Hoffnung zugesprochen bekam, die sie zutiefst dankbar entgegennahm. „Die Berührung zwischen Gott und der Seele ist Musik“ spürte schon Bettina von Arnim. Es ist an uns, dieses Geschenk zu erkennen und anzunehmen.

Unzählige Chorsängerinnen und –sänger, Musikerinnen und Musiker, von kleinen Kindern bis zu betagten Senioren, „opfern“ viele Stunden ihrer Privatzeit, um Werke einzustudieren, die uns aufbauen können, nehmen oft weite Anfahrtswege ebenso in Kauf wie Proben in eisig kalten Kirchen.

In diesem ausgehenden Jahr haben wir noch eine Fülle an Möglichkeiten, Konzerte und musikalisch besonders gestaltete Gottesdienste zu besuchen. Als ein Zeichen der Wertschätzung - auch uns selbst gegenüber, denn „Musik heilt, Musik bringt Freude, Musik tröstet“, so Yehudi Menuhin: „Jeder von uns, sei er nun ein ausübender Musiker oder ein Zuhörer, hat das schon viele Male erlebt.“

Gertraud Schaller-Pressler

Erschienen im Sonntagsblatt, 9.11.2008

HERZZEIT

UHREN UMSTELLEN AUF HERZZEIT

Wenn an diesem letzten Sonntag im Oktober von der Sommer- auf die Winter- und damit auf die „Normalzeit“ gewechselt wird, heißt es wieder, die Uhren umzustellen und damit eine Stunde zu „gewinnen“. Zeit und der richtige Umgang mit ihr nehmen längst einen enormen Stellenwert ein.

Neben den vielen tickenden Uhren auf unseren Handgelenken und in der Außenwelt gibt es aber auch „Uhren tief in uns“, wie Paul Celan im Gedicht „Herzzeit“ notiert.

Diese Uhren haben Zeiger für unsere innere Erlebniswelt mit all ihren Hoffnungen, Träumen und Erinnerungen, für diese „gefühlte“ Zeit, in der Menschen sich vereint wissen, auch wenn sie fern voneinander sind, und in der auch Verstorbene noch immer lebendig sind und da.

Diese „Herzzeit“, die zu Allerseelen besonders aufleuchtet, kann uns Menschen deshalb so unendlich miteinander verbinden, weil sie bereits Zeit hinter der Zeit ist, Ewigkeit.

„Die Zeit ist stehen geblieben“, sagt man deshalb nicht zufällig, wenn jemandes Herz zum Stillstand kommt und einem darüber das eigene Herz „stehen bleibt“.

Es ist ein alter Brauch, dass wenn ein Mensch verstirbt, seine Uhr abgestellt wird. Wenn jemand unerwartet und in weiter Ferne verstirbt, kommt es auch immer wieder vor, dass die Uhren der Menschen, zu denen sie eine ganz besondere Herzensverbindung hatten, von sich aus zum Stillstand kommen.

Wie tröstlich ist es, zu wissen, dass bei Gott eine neue Zeit beginnt mit der Verheißung
„kein Auge hat es geseh’n, kein Ohr hat es gehört, was Gott denen bereitet, die ihn lieben“.

Gertraud Schaller-Pressler

Erschienen im Sonntagsblatt, 26.10.2008

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