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Goldschmiede des Gebets

„Der Pharao lässt die goldene Maske fallen“ titelte eine Zeitung, als das Foto der 3000 Jahre alten Mumie des Tutenchamun durch die Medien geisterte: schwarz, verkohlt, leere Augenhöhlen. Das war also der schöne, junge ägyptische Herrscher, dessen Grab im Tal der Könige jährlich hunderttausende Besucher anlockt. Das Aufbrechen seines prachtvollen gold-blauen Sarkophages und seine gnadenlose Zurschaustellung hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Ein Journalist, sichtlich ratlos: „Jeder mag sich selber dazu seine Gedanken machen“.

Fragt sich nur welche. Dass wir Sensationen gerne dort suchen, wo es keine gibt? Dass wir mehr dem Geheimnis des Todes auf der Spur sind als dem Geheimnis des Lebens? Dass wir eine Gesellschaft der perfekten Verpackungen sind?

Würde man uns Menschen aufbrechen, man fände freilich wohl viele, deren Inneres leuchtet: etwa das der treuen Beter. Sie hüten einen unermesslichen Schatz und wirken wie Goldschmiede: indem sie die Perlen des Rosenkranzes fassen, die Litaneien durch geduldiges Memorieren zum Strahlen bringen und in der Anbetung des Allerheiligsten auch ihr eigenes Herz vergolden: „Es wird Menschen geben, die beten, das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten“ sah der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer in ihnen die Zukunft der Kirche.

„Geh zum Pharao“, drängt Gott Mose im Buch Exodus zum Aufbruch aus der Knechtschaft: „Laß mein Volk ziehen, damit sie mich verehren können“. Tutenchamun mag uns daran erinnern, nachzusehen, ob wir uns aus den alten Verstrickungen, die uns wie Mumien festzurren, lösen konnten oder nicht.

Erschienen im Sonntagsblatt, November 2007

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