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DIE ERSTEN WERDEN DIE ERSTEN SEIN - Verheißungen unserer Zeit

Die kürzlich erfolgte Verleihung des steirischen Werbepreises „Green Panther“ stand ganz unter dem Motto „Die Kunst der Verführung“. Und spätestens anhand der Zeitungsbeilage wurde klar: Die einst „geheimen Verführer“ treten immer offensiver an die Öffentlichkeit und bekennen sich stolz zu ihrer Profession: „Viele Steirer sind wirklich dankbar, dass es Werbung gibt, nimmt sie uns doch auf ganz unterschiedlichen Ebenen Entscheidungen ab. Verführt uns eben. So ist das wirkliche Leben“, heißt es da. Dass Ver-Führung ursprünglich „an einen falschen Ort bringen“, später „sittlich fehlleiten, irreführen“ bedeutete, scheint vergessen. Ja man preist die Werbung geradezu als „neue Religion für Markenbewußte“. Nimmt man nun die „rosaroten Worte“ der Werber genauer ins Visier, ergeben sich tatsächlich einige Parallelen.

„Liebe ist ein Trend, der nie abreißt“, lautet nicht eine Neuversion des Korintherbriefes (13,8), sondern die Erklärung des Hamburger Werbeprofis Oliver Voss für ein Phänomen, das viele Werbekampagnen prägt: von McDonalds („I’m loving it“) über den Mini-Cooper („Is it love?“) bis zu Bipa („Alles aus Liebe“). Selbst Katzenfutter wird wie ein Liebesmahl kredenzt. Denn bislang galt: Gute Werbung ist mit positiven Emotionen aufgeladen. Wenngleich auch diese heile Werbewelt zunehmend langweiliger wird. Ein nett gemachter, pfiffiger Spot genüge heute nicht mehr, die Dosis liege höher, sind die Werbeprofis Jung & Matt überzeugt: „Nur wer vom idealen Menschen abweicht, kann Menschen begeistern. Wer überholen will, muss auf die Kampflinie ausweichen, die schmutziger und riskanter ist. Und sie bewiesen ihre These mit dem vielzitierten Werbeslogan: „Geiz ist geil“. Sünden sind geradezu „in“: sei es der Neid („Und was sagt Ihr Nachbar?“) oder die Habsucht („Nimm alles!“).

„Heute schon gesündigt?“ fragte auch die Frauenzeitschrift „freundin“ ihre Leserinnen und ermutigte zur Rache, zur Notlüge, zum Seitensprung. Denn: „Immer nur tun, was erlaubt ist – wie langweilig!“ Auch in den Werbespots tauchen sie bereits auf: die Lügner (er sagt, er sei auf dem Heimweg, sitzt aber im Bierlokal) und Betrüger (zwei fremdgehende Partner verdecken mit einem Pflaster die Kratzwunde vom Liebesspiel beim Seitensprung). Eigentlich nette Geschichten, vor allem mit so unverschämt sympathischen Menschen. Man lächelt dazu. Sind doch die Folgen dieser permanenten Innenweltverschmutzung, die die Seele allmählich zumülltund verklebt, nicht unmittelbar spürbar. Freilich gibt es nicht von ungefähr dieses zunehmende Bedürfnis nach Frische, Reinheit und Ursprünglichkeit - wenn dieses jedoch wieder nur auf der Produktebene gestillt wird („Düfte, die ihr Leben verändern“ - Airwick) gibt es aus dem Teufelskreis kein Entrinnen.

So kann man getrost weiter mit „unseren Botschaften“ kokettieren, sie ad absurdum führen: „Die Ersten werden die Ersten sein“ (Ford), „Die Stärke sei mit Dir“ (Fisherman’s friends)... Eine steirische Weinkönigin schließlich bewirbt den neuen Traminer mit: „...und führe er uns in Versuchung...“.

Freilich funktioniert dies nur vor dem Hintergrund eines biblischen Restwissens. Der Kabarettist Gerhard Bronner meint, dass Parodien heute meist keinen Witz mehr hätten, da viele Menschen entweder das Original (z.B. eine Oper) nicht mehr erkennen oder es ihnen heilig ist („Über den Elvis macht man keinen blöden Witze“). Christliche Inhalte kennt man bruchstückartig noch, aber sie verkommen nicht selten zum Gag. Und die Konkurrenz läßt uns mitunter alt aussehen: Auf einem Transparent, das eine Wiener Kirche „zierte“ und im Laufe der Jahre völlig verschmutzte, stand zu lesen: „Es gibt einen, der dich liebt – Jesus Christus“. Voriges Jahr wurde in unmittelbarer Nähe ein riesiges, blütenweißes Transparent ausgespannt: „Es gibt noch einen, der dich liebt – T-Mobile“. Können wir uns dagegen wehren? Als Konsumenten sehr wohl. Zugleich sollten wir die Situation zum Anlaß nehmen, unseren eigenen Umgang mit der Botschaft Jesu nach innen wie nach außen hin neu zu überdenken.

Erschienen im Sonntagsblatt, Juni 2004

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