George Prêtre -
Der „Priester“ mit dem Taktstock
Millionen Menschen in aller Welt verfolgten fast jede seiner Handbewegungen, als der 85jährige Georges Prêtre die Wiener Philharmoniker beim Neujahrskonzert 2010 mit erfrischendem Schwung dirigierte.
Der Maestro selbst – „prêtre“ bedeutet auf Französisch „Priester“ – betont jedoch gern, dass er „gar kein Dirigent“, sondern nur „Interpret“ und „Diener der Musik“ sei: „Es ist eine Sache, den Takt richtig schlagen zu können, zu wirklich guten Resultaten kommt man aber nur, wenn man die Musik erspürt, ja erliebt.“ Zugleich ist es ihm wichtig, die Musiker vergessen zu lassen, dass sie ein Stück bereits kennen, um es neu zu entdecken.
Für den Stiefelmachersohn, der sich seinen Musikerberuf schwer erkämpfen musste, ist die Liebe überhaupt das „Zauberwort für alles auf der Welt“: „Wer nicht liebt, kann auch keine Kunst machen.“ Prêtre, der immer „an das Gute im Menschen“ glaubt, stellt sich nicht über den Schöpfer eines Werks und verleiht dem Wort „Dienen“ eine neue, wertschätzende Bedeutung.
Für uns als Christen lautet der Grundauftrag „Dienet zuerst Gottes Reich“. Wobei nicht „erstens, zweitens, drittens...“ gemeint ist, sondern nur erstens: „Alles andere wird euch dazugegeben.“
Denn wie ein guter Diener in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu seinem Herrn steht, lässt auch Gott seine Getreuen immer mehr Einsicht in sein Wollen und Tun nehmen. Und diese Einsicht kann in unserem Leben, das wir vielleicht schon hinlänglich zu kennen glaubten, vieles neu zum Klingen bringen.
Gertraud Schaller-Pressler
erschienen im Sonntagsblatt vom 10.1.2010
Gerti_1966 - 7. Jan, 16:04