Ihr Auftritt, bitte
Künftig könnten auch neue Formen von kirchlichen Segnungen regelmässig "über die Bühne gehen", schrieb dieser Tage eine Grazer Wochenzeitung. Ein gut gemeinter Hinweis, wenn auch in einer verräterischen Sprache: So als wäre die ganze Welt nur Bühne, unser Leben eine einzige Show.
"Wir alle spielen Theater", war der amerikanische Soziologe Erving Goffman überzeugt, "sei es bewusst oder unbewusst". Er verglich unsere Wohnungen und Büros mit teils aufwändig gestalteten Bühnenbildern, vor denen wir tagtäglich als Selbstdarsteller agieren, und deklarierte unsere Möbel, Autos und Kleider als Requisiten für unsere diversen Auftritte. "Je mehr Rollen eine Frau im Leben spielt, desto mehr Schuhe braucht sie", vermerkt dazu eine Modezeitung.
Eigentlich kein schöner Gedanke. Aber er drängte sich ähnlich schon dem amerikanischen Regisseur, Schauspieler und Autor Orson Welles auf (zur Zeit wieder im Gespräch aufgrund des 100. Geburtstages von Anton Karas, dem Zitherspieler im Film "Der dritte Mann", mit dem Welles 1949 auch in Europa berühmt wurde): "Italien besteht aus fünfzig Millionen Schauspielern. Die schlechtesten von ihnen stehen auf der Bühne", ätzte der Filmstar über seine eigenen Berufskollegen.
Nun: Vielleicht haben wir uns und andere tatsächlich mitunter auf Rollen festgelegt oder sind durch unsere Herkunft in ein Schema gepresst worden, das uns nicht gerecht wird, sondern ermüdet und behindert. Selbst von Jesus hieß es, er sei doch nur der Sohn des Zimmermanns, der von nebenan, den man hinlänglich zu kennen glaubte und dem man etwas Höheres nicht zutraute.
Es wäre schade, einfach an äußeren Fassaden und am gewohnten Drehbuch festzuhalten. Viel Gutes unterbleibt, wenn wir durch Vorurteile anderen Menschen den Mut nehmen, sich zu entfalten und sich mit ihren ganz besonderen Begabungen einzubringen.
Erschienen im Sonntagsblatt, Juli 2006
"Wir alle spielen Theater", war der amerikanische Soziologe Erving Goffman überzeugt, "sei es bewusst oder unbewusst". Er verglich unsere Wohnungen und Büros mit teils aufwändig gestalteten Bühnenbildern, vor denen wir tagtäglich als Selbstdarsteller agieren, und deklarierte unsere Möbel, Autos und Kleider als Requisiten für unsere diversen Auftritte. "Je mehr Rollen eine Frau im Leben spielt, desto mehr Schuhe braucht sie", vermerkt dazu eine Modezeitung.
Eigentlich kein schöner Gedanke. Aber er drängte sich ähnlich schon dem amerikanischen Regisseur, Schauspieler und Autor Orson Welles auf (zur Zeit wieder im Gespräch aufgrund des 100. Geburtstages von Anton Karas, dem Zitherspieler im Film "Der dritte Mann", mit dem Welles 1949 auch in Europa berühmt wurde): "Italien besteht aus fünfzig Millionen Schauspielern. Die schlechtesten von ihnen stehen auf der Bühne", ätzte der Filmstar über seine eigenen Berufskollegen.
Nun: Vielleicht haben wir uns und andere tatsächlich mitunter auf Rollen festgelegt oder sind durch unsere Herkunft in ein Schema gepresst worden, das uns nicht gerecht wird, sondern ermüdet und behindert. Selbst von Jesus hieß es, er sei doch nur der Sohn des Zimmermanns, der von nebenan, den man hinlänglich zu kennen glaubte und dem man etwas Höheres nicht zutraute.
Es wäre schade, einfach an äußeren Fassaden und am gewohnten Drehbuch festzuhalten. Viel Gutes unterbleibt, wenn wir durch Vorurteile anderen Menschen den Mut nehmen, sich zu entfalten und sich mit ihren ganz besonderen Begabungen einzubringen.
Erschienen im Sonntagsblatt, Juli 2006
Gerti_1966 - 6. Jan, 12:04