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Dienstag, 8. September 2009

GÖTTLICHER RUHESTAND

„Das hat mir jetzt glatt viel gegeben“, kehrte unlängst eine Touristin überrascht vom Besuch in der Dorfkirche ihres Urlaubsortes ins Quartier zurück: Sie, die nach eigener Aussage nie in die Kirche geht, war eigentlich vor der Sommerhitze in die Kühle des Sakralraumes geflüchtet, empfand das Verweilen dort aber bald als derart angenehm, dass sie zu ihrem eigenen Erstaunen eine ganze Stunde in Stille verweilte, während ihr ansonsten quirliger Enkel leise und ehrfürchtig den Kirchenraum erkundete.

So viele Menschen bedürfen zutiefst der Erholung und suchen sie oft mit großem Aufwand nur in äußerlichen, lauten, künstlichen oder extremen Erlebniswelten. „Ruhe zieht das Leben an, Unruhe verscheucht es“, bemerkte der Schriftsteller Gottfried Keller. Die Mystiker gehen noch weiter: Für sie ist das Höchste die Ruhe in Gott, der Verzicht auf alles eigene Tun und Wollen und das vollständige Vertrauen auf seine Kraft - eine Versunkenheit, aus der es aber gestärkt zu neuen Taten aufzubrechen gilt: „Ich habe euch bereits gesagt, dass die Ruhe, welche die Seelen in ihrem Innern erfahren, ihnen dazu geschenkt wird, dass sie im äußeren Leben umso weniger Ruhe benötigen und umso leichter darauf verzichten“, mahnte Teresa von Avila, Meisterin des inneren Gebets und rührige Klostergründerin.

Wenn uns also spätestens im Herbst der Arbeitsalltag wiederhat, tröstet uns ein Rat von Angelus Silesius: „Fragst du, was Gott mehr liebt, ihm wirken oder ruh’n? Ich sage, dass der Mensch, wie Gott, soll beides tun.“

Gertraud Schaller-Pressler

erschienen im Sonntagsblatt, 16.8.2009

GETAN & ANGETAN

„Mein Vater Friedrich Gulda hat mir unbedingte Hingabe an die Musik vermittelt“, ließ Paul Gulda im Programmheft wissen, als er im Grazer Stefaniensaal beim Eröffnungskonzert der „styriarte“ als Pianist brillierte: „Leonid Brumberg hat mich die Grundlagen der russischen Schule gelehrt, Rudolf Serkin hat mir zuletzt wahre Güte und Unterstützung geschenkt.“

Wenn wir an unsere eigene Biographie denken: Welche Personen würden wir benennen, die uns auf unserem Weg weitergeholfen haben? Wer hat uns Hingabe vermittelt, an den Glauben, an den Beruf, an ein Hobby? Wer legte unseren Grund? Durch wessen Schule sind wir gegangen? Und wer begleitet uns mit Güte und Liebe?

„Im normalen Leben wird es einem oft gar nicht bewusst, dass der Mensch überhaupt unendlich mehr empfängt, als er gibt“, machte der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer aufmerksam. In einer Zeit, in der der Blick gerne darauf gelenkt wird, was einem im Leben nicht alles an-getan wurde, ist es wichtig, auch bewusst auf das zu schauen, was einem alles getan wurde. Man musste und muss wohl nicht alles selbst schaffen - im Gegenteil, so Bonhoeffer: „Der Wunsch, alles durch sich selbst sein zu wollen, ist ein falscher Stolz. Auch was man anderen verdankt, gehört eben zu einem und ist ein Stück des eigenen Lebens.“

Zugleich lohnt es sich, für andere da zu sein, um vielleicht auch ein wertvolles Stück ihres Lebens zu werden. Auch zum eigenen Besten – denn wie es schon Goethe erkannte: „Wer nichts für andere tut, tut nichts für sich.“

Gertraud Schaller-Pressler

erschienen im Sonntagsblatt, 12. 7. 2009

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